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RALF-PETER FUCHS

 

Eine Mitteilung über Wittener Zaubereiprozesse des Jahres 1580

1. Einleitung. - 2. Zweck der Mitteilung und lokalgeschichtlicher Kontext. - 3. Einzelheiten zu den Zaubereiprozessen. - 4. Anhang

1. Bekanntlich hat die häufige Assoziierung der alten Gerichtsherrschaft Witten mit den frühneuzeitlichen Hexenprozessen recht weit zurück reichende Wurzeln. [1] Daß die Wittener Hexenprozesse auch noch der Öffentlichkeit des 20. Jahrhunderts ein Begriff blieben, geht aber vor allem auf Gerrit Harens Novelle zum Fall Arndt Bottermann zurück. [2] Seine Zeichnung einer tragischen heimatlichen Heldengestalt war ganz offenbar auf ein sehr aufnahmebereites Publikum getroffen. Ähnlich wie in anderen Städten des Ruhrgebiets, wo lokalhistorische Abhandlungen zu den Hexenverfolgungen vergleichbare Erfolge hatten, war es damit gelungen, einerseits die vorindustrielle Geschichtlichkeit der Region anhand eines Themas aufzurollen, das sich in besonderer Weise für eine dramaturgische Aufbereitung geeignet hatte. Auf der anderen Seite hatte sich über die Distanzierung gegenüber dieser "finsteren Epoche" eine Identifikation des Lesers mit den Errungenschaften der modernen, "zivilisierten" Gegenwart bewirken lassen. [3] 

Daneben publizierte Haren 1898 einen stärker nach wissenschaftlichen Kriterien ausgerichteten Aufsatz, in dem er seine Auswertungen der einschlägigen Aktenüberlieferung im Archiv des Wittener Vereins für Orts- und Heimatkunde unterbreitete. [4] Trotz mehrfacher Versuche, den Stoff danach neu aufzugreifen, ist es lange nicht gelungen, diese Erkenntnisse über eine kritische Auseinandersetzung zu erweitern. [5] Erst vor nicht allzu langer Zeit ist sowohl ein darstellender Überblick über die Rezeption des Themas der Wittener Hexenprozesse wie auch eine Herausarbeitung des historischen Kerns in einem Aufsatz von Heinrich Schoppmeyer erfolgt. [6] Im Mittelpunkt stand auch dort die Figur des Wittener Vollbauern Arndt Bottermann. Die Unterlagen über den Prozeß, der 1647 gegen ihn geführt wurde, sind nach wie vor fragmentarisch im Aktenbestand des Hauses Berge erhalten. [7] Abgabenlisten und andere Quellen gestatteten zudem eine soziale Einordnung seiner Person in den dörflichen Kontext. Darüber hinaus ließen sich über ein in Bruchstücken erhaltenes Rechtsgutachten Harens Hinweise zu insgesamt vier weiteren Prozessen vertiefen, die ebenfalls in die Mitte des 17. Jahrhunderts fielen [8] und wahrscheinlich mit dem Bottermann-Prozeß zusammenhingen. 

Auf zwei weitere Ausführungen Gerrit Harens soll hier ebenfalls kurz eingegangen werden, da er seinerzeit die Quellen, aus denen er seine Schlüsse gezogen hatte, nicht präzise benannt hatte: Dabei handelt es sich um einen Hinweis auf zwei Frauen, Mutter und Tochter, die auf Strohschneiders Kotten am Wittener Schwanenmarkt in Armut gelebt hatten, und um das Jahr 1600 in Zaubereiverdacht geraten waren. Diese Information hatte Haren einem Gewinngeldverzeichnis entnommen, das seit 1589 von den Wittener Gerichtsherren geführt worden war. [9] Die spärlichen, zudem nicht leicht verständlichen Bemerkungen deuten an, daß auch Herbede in dieser Zeit von Hexenprozessen betroffen gewesen sein dürfte: Die beiden Frauen seien von den Herbeder Zauberinnen besagt worden. [10] Ob mit Haren auf der Basis dieser Angaben jedoch geschlossen werden kann, daß es in Witten zu einem Zaubereiverfahren und zu einem Urteil gegen sie gekommen war, das eine Verweisung aus der Herrschaft beinhaltet hatte [11] , muß hinterfragt werden. Eine genauere Betrachtung legt eher deren Flucht aus Witten nahe. [12] - Harens Bemerkungen zu weiteren Hexereiprozessen für das Jahr 1647 gehen schließlich auf eine Notiz zum Wittener Gerichtswesen aus dem 18. Jahrhundert zurück, die sich ebenfalls im Aktenbestand des Hauses Berge befindet. Schon aus beträchlicher Distanz zu den Ereignissen heraus heißt es hier: "Das Gericht über hals und haupt hat im J. 1647 noch bestanden, weil damals 14 bis 18 zauberer verbrennt worden, item die appell gienge nicht nach Kleve, sondern nach Dortmund und den Reichsgerichten." [13] 

Dieser alles in allem recht heterogenen, bruchstückhaften Überlieferung ist nun eine Quelle hinzuzufügen, anhand der sich sieben weitere Wittener Zaubereiprozesse nachweisen lassen. Es handelt sich dabei um eine urkundliche Mitteilung im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem Reichskammergericht aus dem späten 16. Jahrhundert (siehe Anhang). [14] Sie ist datiert auf den 20. August 1583. Als Aussteller zeichnete der Hattinger Bürgermeister Conrad Märker [15] , zu jener Zeit Richter in Witten. Die Information über die Zaubereiverfahren ist knapp gehalten, nähere Details zu den einzelnen Anklagepunkten fehlen. Lediglich die Namen der Angeklagten, das ihnen vorgeworfene Delikt sowie das Datum und die Art der Hinrichtung sind genannt. Insgesamt sechs Frauen und ein Mann wurden demnach am 28. Juli 1580 sowie am 3. August und am 28. September des gleichen Jahres verbrannt bzw. enthauptet. Wenngleich auch die Überlieferung im Falle des Arndt Bottermann die Verhängung und Vollstreckung eines Todesurteils nahelegt [16] , sind damit doch zum ersten Mal definitiv Hinrichtungsopfer wegen Zauberei für den Bereich der Gerichtsherrschaft Witten namentlich feststellbar. 

Schließlich weisen weitere Dokumente, die sich bei dem Schriftstück befinden, auf ortsgeschichtliche Zusammenhänge hin, die ihren Hintergrund etwas aufhellen: Die Zeit um das Jahr 1580 war insbesondere geprägt durch die immer wieder in Gewaltausbrüchen eskalierenden Auseinandersetzungen zwischen den drei adeligen Familien, die Besitz und Rechte im Dorf hatten: Konkret befehdeten sich der mit der Herrschaft Witten belehnte Herr zu Haus Berge, Wennemar von Brempt, und Johann Friedrich von Stammheim zu Crengeldanz, ebenso waren Ruprecht Stael von Holstein zu Steinhausen und dessen Sohn Hardenberg maßgeblich an den Konflikten beteiligt. Auf diese komplizierten Verwicklungen ist zunächst in einem gesonderten Abschnitt ausführlicher einzugehen, da sie für das Zustandekommen der Wittener Hexenverfolgungen nicht ohne Bedeutung sind. Nur auf der Basis dieser Vorgänge, die über die Überlieferung der Reichskammergerichtsakten teilweise in einem neuen Licht erscheinen, läßt sich zudem das genauere Zustandekommen der Mitteilung erläutern. In einem weiteren Kapitel soll dann - soweit möglich - ausführlicher auf die Prozesse und die davon betroffenen Personen eingegangen werden. 

2. 

Auftraggeber für Conrad Märkers Auflistung der sieben Hinrichtungen wegen Zauberei - und zweier weiterer Hinrichtungen wegen Kindsmords - war keineswegs der Wittener Gerichtsherr zu Haus Berge, Wennemar von Brempt. Die Bescheinigung befindet sich vielmehr in der Akte eines Prozesses, den Johann Friedrich von Stammheim zu Crengeldanz im Jahr 1581 am Reichskammergericht zu Speyer gegen eine Reihe von Personen aus Stadt und Grafschaft Dortmund sowie dem Gericht Mengede eingeleitet hatte. [17] Streitpunkt der Reichskammergerichtsprozesse waren keine Hexereisachen, sondern einige Güter im Bereich der Gerichtsherrschaft Mengede und des Territoriums der Freien Reichstadt Dortmund. [18] Stammheim bat in Speyer als Lehnsherr dieser Güter um rechtlichen Schutz, nachdem seinem Lehnsmann, einem mit ihm verschwägerten Adeligen namens Reinhardt von Fontaine, die ungehinderte Nutzung streitig gemacht worden war und Anteile des Besitzes in Dortmund verkauft worden waren. Dies wiederum hing damit zusammen, daß die Vorgänger Fontaines [19] sie zum Teil verpfändet, versetzt und augenscheinlich auch schon damals Veräußerungen vorgenommen hatten. Wegen Verstoßes gegen das Lehnsrecht beanspruchte Stammheim für sich den Heimfall der Lehnsgüter, um sie Fontaine zu Erblehen zu geben. Dies geschah offiziell über einen Lehnsbrief am 24. Februar 1581. [20] Er enthält den Hinweis, daß Fontaine die Güter zu diesem Zeitpunkt bereits de facto 15 Jahre lang innegehabt hatte. Die Bemerkung, er habe sie in diesem Zeitraum "mit großer muehe, last, leibs gefahr und beschwernus" [21] verteidigt, ist sicherlich nicht überzubewerten, deutet aber auf permanente Reibereien mit den Gläubigern und den das Besitzrecht für sich einfordernden Parteien hin. 

Die Tatsache, daß Johann Friedrich von Stammheim in dieser Sache als Lehnsherr auftrat, führt direkt in das komplexe Feld der Wirrnisse und Probleme, von denen die Herrschaft Witten in dieser Zeit betroffen war. Die Lehnsgüter gehörten keineswegs zum Haus Crengeldanz, sondern waren vielmehr Bestandteil der sogenannten Rüdinghauser Mannlehen [22] , die spätestens seit 1516 mit der Gerichtsherrschaft zu Witten in enger Verbindung standen. Anläßlich der kaiserlichen Belehnung Heinrich von Brempts mit der Herrschaft Witten am 17. November dieses Jahres waren auch sie definitiv als Reichslehen bezeichnet worden. [23] Die Lehnsherrschaftsrechte hatten danach nachweislich die Nachfolger Heinrich von Brempts auf Haus Berge ausgeübt. 1550 hatte Reinhard von Brempt ein Lehnsgericht zu Witten abhalten lassen, nachdem sein Lehnsmann Dietrich von Altenbochum eines dieser Güter stückweise verpfändet und es in Schaden geführt hatte. [24] 

Daß Fontaine - den Angaben Johann Friedrich von Stammheims zufolge auf seinen schwägerlichen Rat hin [25] - etwa in der Mitte der 1560er Jahre das Haus Altenmengede samt zugehöriger Höfe in Besitz nahm und versuchte, die Hypotheken abzutragen, scheint mit den schon damals gehegten Wünschen des Herrn zu Crengeldanz zusammenzuhängen, Besitzansprüche auf diese Güter geltend zu machen. Die Bemühungen, sich diese Besitztümer anzueignen, waren alerdings kein isoliertes Phänomen, sondern waren Teil einer groß angelegten Offensive, die generell auf eine Beteiligung an den lehns- und gerichtsherrschaftlichen Rechten der auf Haus Berge sitzenden Familie von Brempt zielte. Die rechtliche Grundlage für diese Forderung von Stammheims resultierte aus mittelalterlichen Anrechten des Hauses Crengeldanz an der Herrschaft Witten, die seit dem 16. Jahrhundert durch die Familie von Brempt de facto außer Kraft gesetzt waren. [26] 

Über die Überlieferung der Reichskammergerichtsakten läßt sich anschaulich nachvollziehen, daß von Stammheim bereits in den 1570er Jahren begann, seinem Anspruch auf eine Beteiligung an der Gerichtsherrschaft Witten zunächst vor allem durch Gewaltsamkeiten Ausdruck zu verleihen. Im Bemühen, Reinhard von Brempt und seit etwa 1573 [27] dessen Sohn Wennemar als nachfolgenden Herrn zu Witten einzuschüchtern, hatte er in Ruprecht Stael von Holstein, Herrn zu Steinhausen, und dessen Sohn Hardenberg bereitwillige Helfer gefunden. Wennemar von Brempt klagte 1576 am Reichskammergericht gegen ständige Eingriffe, Zerstörungen und Bedrängungen, auf die hier im einzelnen nicht eingegangen werden kann. [28] Daß Stammheim die herrschaftlichen Rechte bei seinen Aktionen zielsicher ins Visier genommen hatte, zeigt sich jedoch etwa daran, daß er am 4. September, an einem Jahrmarktstag mit etwa 15 Dienern einen der Wittener Gerichtsboten attackiert und "vonn ime etliche accisen, der hochayt zu stendig, abgefordert" [29] hatte. Brempts Darstellung zufolge hatten die Mitglieder der Gruppe anschließend auf ihr Opfer eingeschlagen und eingestochen. [30] Einen weiteren Angriff auf den Gerichtsboten mit einem "knebelstab" hatte Ruprecht Stael von Holstein zu Martini 1575 unternommen. [31] Gemeinsam mit Johann Friedrich von Stammheim hatte er bereits am 4. Oktober 1574 die Abhaltung eines Notgerichtes verhindert, dem Wittener Richter mit einer Büchse nachgesetzt und ihn "von einem ortt biß zum andern verfolgett" und bedroht. [32] 

Ein besonders geschickter Schachzug im Rahmen dieser Streitigkeiten wurde in den späten 1570er Jahren organisiert und ausgeführt: Über einen in einschlägigen ortsgeschichtlichen Abhandlungen für gefälscht befundenen "kaiserlichen Lehnsbrief" [33] versuchte von Stammheim, den rechtlichen Nachweis einer Übertragung der gesamten Herrschaft Witten als Reichslehen auf Hermann von Witten zu Crengeldanz und seine Nachfolger - und damit auf sich selbst - zu erbringen. Die in das Jahr 1502 datierte angebliche Belehnung wurde 1579 Wennemar von Brempt und später dem Reichskammergericht in Form einer beglaubigten Abschrift präsentiert. In einem angehängten Beglaubigungsschreiben war vermerkt worden, daß sich Johann von Hoete, der Schwager von Stammheims, als Besitzer der originalen Lehnsurkunde 1568 an das erzbischöfliche Offizialat zu Köln gewandt, diese vorgelegt und eine dort einberufene Kommission sowie hochrangige Zeugen von ihrer Echtheit überzeugt hatte. [34] 

Daß sich ein stark verunsicherter Wennemar von Brempt schließlich im Jahr 1579 - ein Jahr vor den Zaubereiprozessen - dazu durchrang, seinen Frieden mit Johann Friedrich von Stammheim zu suchen, zeigt den frappierenden Effekt dieser Fälschung und deutet wohl ebenso darauf hin, daß die ständigen Bedrohungen und gewaltsamen Bedrückungen ihre Wirkung nicht verfehlt hatten. Am 25. April gaben die beiden Kontrahenten einander "bei adenlichen ehren" [35] die Hand und schlossen einen Teilungsvertrag, der Brempt im Vergleich zu seiner vorherigen Position erheblich ins Hintertreffen brachte. Eine genauere Untersuchung dieses Vertrages muß hier unterbleiben [36] , lediglich zwei Bereiche sind herauszustellen: Stammheim bekam zum einen neben den adeligen Häusern Crengeldanz, Steinhausen und Hardenstein die Altenmengeder Güter zugesprochen, die Reinhardt von Fontaine als Afterlehnsmann innehatte. [37] Zweitens: Brempt erklärte sich bereit, Akzisen, Kirchen- und Gerichtseinkünfte zur "halbscheidt" mit ihm zu teilen und erkannte - was damit zusammenhing und noch bedeutender war - Stammheim als gleichrangigen Herrn zu Witten neben sich an. Die gerichtsherrschaftlichen Rechte und Pflichten sollten gemeinschaftlich ausgeübt werden, einer sollte dem anderen "drin die handt lehen und nach allem seinem vermögen vertretten und verthedingen helffen" [38] . Beide, wie auch ihre jeweiligen Nachkommen, sollten jedoch grundsätzlich berechtigt sein, "der mißhandlung, ubertrettungh und straff halben, der underthanen oder fremdenn, so in der Herschafft Witten betretten, es sein malefitz oder civillsachen, allein oder zugleich anzugreiffen, gefengklich anzuziehenn und an den obgenanten Hauß Berge in den stock oder gefengknuß verwarlich einzusetzen, biß ein ander gefengknus gebawet" oder ein anderes dazu bestimmt worden war. [39] Die Entscheidung über eine Freilassung sollte zusammen getroffen werden, gegebenenfalls über dazu bestellte Vertreter ("machtpotten"). [40] Eine besondere gerichtliche Funktion von Haus Berge, Sitz der Familie von Brempt, als Haftstätte war seitens Johann Friedrich von Stammheims offenbar sehr nachdrücklich nur als Not- und Übergangslösung akzeptiert worden. Gerichtsstätte scheint das Haus vordem ohnehin noch nicht gewesen zu sein. Das Lehnsgericht gegen Dietrich von Altenbochum im Jahre 1550 fand auf dem Schultenhof, "dem hoeff zu Wytten, in dem dorpe zu Wytten, bey dem kerckhoeff gelegen" [41] , statt. Für einen Prozeß aus dem Jahre 1587, als der Teilungsvertrag bereits längst widerrufen worden war, läßt sich der Bottermannshof, ein stattliches Anwesen, in dem Gäste bewirtet wurden, als Gerichtsort nachweisen. [42] 

Die überlieferten Reichskammergerichtsakten vermitteln eindrücklich, daß sich Stammheim nach der Ratifizierung der Übereinkunft von 1579 mit einem gewissen Elan daran machte, entsprechend seiner nun - zumindest vorübergehend [43] - gestärkten Position, seine Rechte und Pflichten als "Herr zu Witten" wahrzunehmen. Die Verfahren vor dem Reichsgericht wurden seit der ersten Hälfte des Jahres 1581 eingeleitet. Zu den Versuchen, seine Angelegenheiten als Lehnsherr in Ordnung zu bringen, gehörte eine Klage auf Wiedererstattung des Potthofes bei Crengeldanz beim Reichskammergericht. [44] Auf ganz ähnliche Weise kam Stammheim auch seinem Lehnsmann Reinhardt von Fontaine zu Hilfe. Schon vor seiner Klage vor dem Reichskammergericht, im Januar 1581, hatte er den Dortmunder Notaren Georg Pfannkuch, mit Conrad Märker und Wittener Eingesessenen als Zeugen im Gefolge, zu seinen späteren Prozeßgegnern in Dortmund, Bodelschwingh usw. geschickt, und diesem aufgetragen, seinen Kontrahenten feierlich den angeblichen Lehnsbrief von 1502 samt Beglaubigungsurkunde vorzulesen. [45] In diesem Fall wurde die Argumentation, es handle sich bei den Altenmengeder Gütern um Reichslehen, ähnlich wie im Prozeß um den Potthof, auf dieses Schriftstück gestützt. 

Letztendlich spricht die Tatsache für sich, daß auch die Zaubereiprozesse, wenngleich nicht unmittelbar, so doch kurze Zeit nach dem zweifelhaften Lösungsversuch der Wittener Querelen über den Teilungsvertrag stattfanden. 1576 hatte Wennemar von Brempt noch beklagt, daß von Stammheim seine grundhörigen Bauern gegen ihn aufgestachelt und zur Gehorsamsverweigerung aufgefordert hatte. [46] Dabei seien diese, von Stammheims Hausleute, zu feindseligen Handlungen gegenüber von Brempt bewegt worden. [47] Es ist wohl davon auszugehen, daß zu dieser Zeit, in der Angriffe auf Richter und Gerichtsboten sich häuften, kaum eine genügende Autorität zur Durchführung von Hexenprozessen bestanden hatte. Erst nach der "Versöhnung" und Einigung von 1579 war hierfür eine Basis geschaffen worden. Wer von den beiden Gerichtsherren die treibende Kraft war, läßt sich allerdings nur mutmaßen. Märker leitete 1583 seine richterliche Funktion ausdrücklich sowohl vom Auftrag Wennemar von Brempts als auch Johann Friedrich von Stammheims her. In der Tat ist wohl davon auszugehen, daß von Stammheim ein besonderes Interesse daran gehabt haben dürfte, über die Veranschaulichung einer funktionierenden Justiz Popularität bei den Dorfbewohnern für das neu instituierte herrschaftliche Duo zu gewinnen. Auf der anderen Seite sollte Conrad Märker etwa im Jahr 1624 eine eidesstattliche Aussage machen, daß von Stammheim die Gerichtsherrschaft zu keiner Zeit praktisch ausgeübt habe, was darauf hinweist, daß die Initiative zu den Zaubereiprozessen wohl von Wennemar von Brempt ausgegangen ist. [48] Auch für ihn läßt sich nachvollziehen, daß eine Demonstration von Macht, vor allem nach der bitteren Vertragsunterzeichnung, in seinem Sinne war. Nachdem er seinen Erzkontrahenten über seine Zugeständnisse zunächst ruhig gestellt hatte, wirkte sich die Vollstreckung von Todesurteilen generell als eine Versinnbildlichung und Betonung wiedergewonnener Autorität gegenüber den Dorfbewohnern aus. Der Zweck der Einschüchterung von aufsässigen Hofsleuten von Stammheims mag darüber hinaus ein spezieller Grund für das Machttheater gewesen sein, das über den Richter einleitet wurde. Dieser Richter, der 1580 die Inquisitionen durchführte, war mit Sicherheit Conrad Märker selbst. Er trat schon 1579 in dieser Funktion auf. 

Das genauere Zustandekommen von Märkers Bescheinigung etwa drei Jahre nach den Hinrichtungen läßt sich recht gut auf der Basis der hier aufgeführten Tatbestände nachzeichnen. Es ist zugleich nicht unerheblich für die Einschätzung des Ausmaßes der Wittener Zaubereiprozesse in dieser Phase: Am 27. August 1583 bat Reinhard von Fontaine zu Altenmengede den Wittener Richter um dieses Papier. Was er zu benötigen glaubte, war der Nachweis der exemten Stellung der Herrschaft Witten, da er diese ebenso für seine Güter in Mengede, Ellinghausen usw. beanspruchte. Das Dokument sollte den Assessoren in Speyer vermitteln, daß keine Pflichten zur Zahlung von Landessteuern in diesem Bereich existierten und die herrschaftlichen Junker nicht zu den Landständen gehörten. Vor allem aber sollte das herrschaftliche Recht zur Ausübung der hohen Gerichtsbarkeit hervorgehoben werden. Conrad Märker vermerkte in diesem Zusammenhang zunächst eine Hinrichtung wegen Kindsmordes aus dem Jahre 1562. Dieses Ereignis aus der Zeit der Gerichtsherrschaft des Reinhard von Brempt sollte verdeutlichen, daß die Strafgerichtsbarkeit über die Generationen hinweg, quasi schon immer, seit "ewigen" Zeiten, den Herren von Witten zugekommen war. Direkt im Anschluß an diesen Fall führte Märker die Verbrennungen und Enthauptungen des Jahres 1580 an, womit der Nachweis erbracht wurde, daß auch die derzeitigen Herren ihr Privileg zur Ausübung der hohen Gerichtsbarkeit in Kontinuität zu ihren Vorgängern wahrgenommen hatten. 

Keineswegs kann man also mit absoluter Sicherheit voraussetzen, daß für den Zeitraum von 1562 bis 1580 keine weiteren Vollstreckungen von Todesurteilen im Wittener Gerichtsprotokoll notiert waren. Dennoch ist wohl, wie bereits angedeutet, davon auszugehen, daß zumindest in den von herrschaftlichen Spannungen gekennzeichneten Jahren direkt vor dem Teilungsvertrag von 1579 kaum Zauberei- oder Hexenprozesse in Witten durchgeführt worden waren. Daß letztlich die aufgeführten Hinrichtungen von 1580 zum Zeitpunkt ihrer Beurkundung bereits drei Jahre zurücklagen, muß wohl andererseits dahingehend interpretiert werden, daß seitdem keine weiteren Prozesse mit Todesurteilen stattgefunden hatten. Andernfalls wären sicherlich die aktuelleren Daten in irgendeiner Form erwähnt worden. So ist wohl in summa der Schluß berechtigt, daß die Prozesse von 1580 einen auffälligen Block im Gerichtsbuch bildeten, der sich von den Eintragungen davor und danach wesentlich abhob. 

3. 

Im folgenden soll noch etwas genauer auf die Mitteilung von 1583 eingegangen werden, da sich aus dem Dokument selbst noch einige Details zu den Wittener Prozessen von 1580 erschließen und genauere Einordnungen vornehmen lassen: 

Wenden wir uns zunächst dem Jahr der Prozesse zu, so ist festzustellen, daß dieses noch nicht in den Zeitraum der größten Verfolgungswellen im deutschen Raum fällt. [49] Eine erste absolute Hochphase von Hexenprozessen begann erst ab etwa 1585, wobei vor allem die Massenprozesse im Erzstift Trier herausstachen. [50] Gleichwohl läßt sich für das Jahr 1580 bereits von einer frühen Verfolgungswelle sprechen. [51] Insbesondere ist auffällig, daß sich für mehrere Orte im Ruhrgebiet ebenfalls Prozesse nachweisen lassen. Vor allem sind in diesem Kontext die Verfahren der Jahre 1580/81 zu Recklinghausen, die zu 44 Hinrichtungen geführt haben sollen, zu erwähnen. [52] Weiterhin lassen sich Festnahmen bzw. Aburteilungen wegen des Zaubereidelikts etwa für Essen (1580/81) [53] , Haltern (1581) [54] und Dortmund (1581) [55] ausmachen. "Ansteckungen" von einem Gebiet auf das andere liegen durchaus im Bereich des Möglichen. Allerdings ist hervorzuheben, daß die direkte märkische Umgebung Wittens zumindest weitgehend frei von Verfolgungen gewesen sein dürfte. Der Landesherr über die Grafschaft Mark, Herzog Wilhelm zu Jülich, Berg und Kleve, soll der Abhaltung von Hexenprozessen äußerst kritisch gegenübergestanden haben. Sein Leibarzt, der über lange Zeit entschiedenste und radikalste Gegner der Verfolgungen, Johann Weier, gab in seinem Buch "De praestigiis daemonum" unter anderem an, er habe seinen Fürsten mehrere Male die Meinung vertreten gehört, "daß offtermeldte Hexen oder Unholden niemandts weder mit jrem boßhafftigen willen / noch grawsamen verfluchen / oder auch schalckhafftigem anschawen etwas schaden zufügen mögen". [56] 

Wie sich aus Conrad Märkers Beurkundung ersehen läßt, war es eben der Vorwurf der Schadensbewirkung über verbotene, zauberische Praktiken, der in Witten zur Verhängung der Todesstrafen geführt hatte. Die Formulierung "wegen beziegener, beclagter und bekandter zauberei" [57] läßt ausdrücklich nur den vermeintlichen Tatbestand des Schadenzaubers erkennen. Es ist zwar nicht auszuschließen, daß daneben auch andere zum Hexenbild gehörige angebliche Delikte, wie der Abfall von Gott, der Teufelspakt, die Teufelsbuhlschaft und der Hexentanz eine Rolle gespielt hatten. Keineswegs scheinen diese jedoch im Vordergrund der Prozesse gestanden zu haben. Vielmehr deutet alles darauf hin, daß Bewohner des Dorfes Schäden, etwa Viehsterben, Ernteausfälle oder Krankheiten, beanstandet und auf die angeklagten Personen zurückgeführt hatten. Die Praxis derartiger Bezichtigungen ist in neueren Forschungen zu den Hexen- und Zaubereiprozessen immer mehr in den Blickpunkt geraten. Eine von Streitigkeiten und Unerbittlichkeiten geprägte, "agonale" Alltagskultur auf den Dörfern bildete laut Rainer Walz hierfür einen wesentlichen Hintergrund. In einer agrarisch bestimmten Lebenswelt, in der die Furcht um die eigene Existenz allgegenwärtig war, hatte der Glaube an die Möglichkeit einer Urheberschaft bestimmter Nachbarn am eigenen Unglück eine wesentliche angstbewältigende Funktion. [58] Für die Entstehung von Prozessen waren allerdings zwei Dinge maßgeblich: Zunächst mußten weitere Nachbarn bereit sein, den schlechten Ruf der bezichtigten Personen als "zaubersche" bzw. "zauberer" zu bestätigen und dem Wunsch nach Bestrafung Nachdruck zu verleihen. Weiterhin mußte die Obrigkeit dazu bereit sein, Verfolgungswünschen entgegenzukommen. Als Hintergrund für die Entstehung eines derartigen Verfolgungsdrucks in Witten lassen sich im Hinblick auf die Zeit um 1580 zum einen die geschilderten herrschaftlichen Konflikte anführen, die nicht zuletzt von religiös-konfessionellen Spannungen [59] begleitet waren. Vor allem scheint aber eine akute Getreideknappheit in diesem Jahr den Ausschlag dafür gegeben zu haben. In ihrer 1616 erschienenen "Historischen Beschreibung der Grafschaft Dortmund" verzeichneten die beiden Chronisten Detmar Mülher und Cornelius Mewe für das Jahr 1580 einen außergewöhnlichen Mangel an Brot und einen schlagartigen Anstieg der Roggenpreise auf das Doppelte des Vorjahres. [60] Eine direkte Aufeinanderfolge von Mißernten und Hexenprozessen läßt sich für viele Gebiete, die von Verfolgungen betroffen waren, ausmachen. Ein weiteres wichtiges Erklärungsmoment ist offenbar in einer Pestepidemie zu sehen, die zwar nicht direkt für Witten belegt ist, aber für viele Orte der Umgegend, wie Dortmund (1578) [61] , Bochum (ca. 1579) [62] , Hamm (1581) [63] und Lünen (1581). [64] 

Sechs der sieben in Witten wegen Zauberei hingerichteten Personen waren Frauen. Damit entsprach die überwiegende Mehrheit der Verurteilten dem elaborierten Hexenbild, das von gelehrten Dämonologen wie Institoris/Sprenger vorgezeichnet worden war. Laut vorsichtigen Schätzungen betrug der Frauenanteil an den Opfern der europäischen Hexenverfolgungen etwa 80 %. [65] Allerdings sind erhebliche regional und zeitlich bedingte Abweichungen von dieser Zahl festzustellen. [66] Einige Namen der Opfer lassen des weiteren Schlüsse auf ihre soziale Herkunft zu. Dabei ist grundsätzlich zu berücksichtigen, daß auch bei verheirateten Frauen oftmals nicht die Familiennamen der Ehemänner, sondern die der Väter angegeben wurden. Sie geben von daher nicht unbedingt direkte Hinweise auf die Wohnorte der Frauen, wohl aber über deren Abstammung. 

Zwei der Namen tauchen im Teilungsvertrag zwischen Wennemar von Brempt und Johann Friedrich von Stammheim auf: Dort ist die Rede von "Trinen Drüdens kotten" und einem "Francken kotten" - im übrigen ebenso vom "Kaysers kotte", der wohl mit der 1562 wegen Kindsmords ertränkten Margaretha Kaysers in Verbindung zu bringen ist. [67] Der Kotten von Catharina Drude [68] läßt sich auf der Basis der Einkünfteverzeichnisse des Hauses Berge aus dem 16. Jahrhundert exakt bestimmen: Es handelt sich um den Valenthorn-Kotten [69] , der sich im Oberdorf, an der späteren Oberstraße, in der Nähe des Schwanenmarktes befand. [70] Außerdem läßt sich bereits aus der Benennung des Kottens im Teilungsvertrag mit ihrem Namen ersehen, daß die Bewohnerin allein lebte. Augenscheinlich war sie verwitwet. Eine Eintragung im Einkünfteverzeichnis des Hauses Berge aus dem Jahre 1565 offenbart darüber hinaus einen Blick auf die bescheidenen Verhältnisse: "Item nu lecht noch ein klein kothkenn, daer Trine Druiden up wonet, gehort gein landt to, gefft van dem hove und gaerdekenn drei schillinge unnd drei honder." [71] Nicht nur der Hinweis, daß kein Ackerland zum Kotten gehörte, sondern auch die geringen Abgaben von drei Schillingen Thomasgeld (Pfenniggeld) und drei Hühnern veranschaulichen, daß sie zur unteren Kötterschicht im Dorf gehörte. Weiterhin kann man wohl davon ausgehen, daß Catharina Drude zum Zeitpunkt der Prozesse schon längere Zeit allein gestanden hatte und damit ein typisches Opfer für alltägliche Anfeindungen und Verdächtigungen darstellte. Daß man sie auf der anderen Seite "aus vorbitt" von der Feuerstrafe zur Schwertstrafe begnadigt hatte, deutet auf Freunde oder Verwandte im Dorf hin, die sich für sie eingesetzt hatten. 

Der Frankenkotten, dem Maria Frankh offenbar entstammte, befand sich in der Nähe der Wittener Schule, recht nah beim Kernsiedlungsbereich um die Johanniskirche. Über die in den 1560er Jahren geleisteten Pfenniggeldabgaben von 8 Schillingen [72] sowie spätere Abgabenverzeichnisse des Hauses Berge [73] läßt er sich zu den mittelgroßen bis größeren Kötterstellen zählen. Daneben kam auch Else Greve aus der Schicht der Kötter, wenngleich die Tatsache, daß im Dorf Witten zwei Gräfe-Kotten existierten [74] , keine absolut sichere Lokalisierung gestattet. Immerhin könnte die gemeinsame Hinrichtung zusammen mit Maria Frankh darauf hindeuten, daß sie in jenem Gräfe-Kotten gelebt hatte, der sich in direkter Nachbarschaft des Frankenkottens gegenüber der Johanniskirche befand und der zur genaueren Bestimmung in den Abgabenlisten des Hauses Berge auch als "Greve am kerckhove" bezeichnet wurde. [75] Der den frühneuzeitlichen Zaubereiprozessen immanenten Logik zufolge ergab sich eine hohe Verdächtigkeit allein aus dem Tatbestand, daß man mit den Zauberinnen, die man über die Untersuchungen "überführt" hatte, zuvor Umgang gepflegt hatte. 

Daß daraus insbesondere auch eine hohe Gefahr für die Verwandten und Ehepartner der Opfer resultierte, zeigt nachdrücklich die gemeinsame Verbrennung der Eheleute Gerhardt und Anna Schumacher vom 28. Juli. Der Name deutet auf die Verwandtschaft mit einem Dorfhandwerker hin, der in den Einkünfteverzeichnissen des Hauses Berge aus dem 16. Jahrhundert Petter Schomacher genannt wurde. Für die Herstellung von Schuhen stellte ihm Reinhardt von Brempt im Herbst und Winter des Jahres 1556 mehrere Ochsen-, Kuh- und Kalbsfelle zur Verfügung. [76] Er stand in einem grundherrschaftlichen Pachtverhältnis zum Haus Berge und war ähnlich wie die ausschließlich von der Landwirtschaft lebenden Dorfbewohner zu Natural- und Geldabgaben (11 Schillinge Pfenniggeld) verpflichtet. Der sozial und wirtschaftlich zur Dorfmittelschicht zu zählende Handwerker ist 1574 zum letzten Mal in den Abgabenverzeichnissen aufgeführt. [77] In welchem verwandtschaftlichen Verhältnis die beiden hingerichteten Personen zu ihm standen, läßt sich allerdings so wenig ermitteln, wie die soziale Herkunft der verurteilten Vite Schiedtman. [78] Lediglich im Hinblick auf Grietgen Abel läßt sich noch eine Verbindung zu einem Kotten herstellen, deren Bewohner den Herren zu Haus Berge abgabenpflichtig waren und ein jährliches Pfenniggeld von sechs Schillingen entrichten mußten. [79] Es handelt sich bei diesem Kotten um den Doermann-Kotten am Schwanenmarkt, für den sich als abgabenpflichtiger Hausherr ein Kötter ermitteln läßt, der bis in die 1570er Jahre hinein als der "alde abell" [80] bezeichnet wurde. Ansonsten läßt die Nüchternheit der Verzeichnung der Hinrichtungen keine genaueren Aussagen über die Opfer zu. Hervorzuheben ist nur noch, daß die feststellbaren grundherrschaftlichen Beziehungen fast sämtlicher Namen zum Haus Berge die Vermutung erneut unterstreicht, daß der Befehl zur Durchführung der Zaubereiprozesse von Wennemar von Brempt ausgegangen ist. 

Grundlage für die Verhängung der Todesstrafen von 1580 war die Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. aus dem Jahre 1532 (Carolina). Artikel 109 dieser Strafprozeßordnung setzte für Schadenzauber den Tod durch Verbrennen fest. [81] Die Umwandlung dieser Strafe zur als weniger grausam und weniger schändlich angesehenen Schwertstrafe im Falle der Catharina Drude zeigt, daß man diese reichsrechtliche Bestimmung nur als Richtschnur und nicht als starres Gesetz interpretierte. Daß die Carolina aber grundsätzlich bei den Urteilen zu Rate gezogen wurde, erkennt man auch an der Strafe des Ertränkens, die 1562 über Margaretha Kaysers verhängt worden war. Das ihr zur Last gelegte Delikt des Kindsmords - ein in letzter Zeit des öfteren thematisierter Bereich der historischen Kriminologie im Zusammenhang mit sozial- und insbesondere geschlechtergeschichtlichen Fragestellungen - [82] beinhaltete den Vorwurf der Tötung ihres eigenen Kindes direkt nach der Geburt. Die Carolina sah hierfür die Ertränkung als Regelstrafe vor. [83] Die spätere Hinrichtung von Ursula Schmitz mit dem Schwert im Jahre 1580 wegen des gleichen Delikts könnte wiederum als "Begnadigung" aufzufassen sein. Allerdings läßt sich für das späte 16. Jahrhundert allgemein feststellen, daß die Strafe des Ertränkens durch die Schwertstrafe allmählich abgelöst wurde. [84] 

Letztlich zeigen die genau festgehaltenen Daten sämtlicher Hinrichtungen, daß in Witten für die Abhaltung von "Endlichen Rechtstagen", an denen vor dem Vollzug der Strafen zunächst der Öffentlichkeit die Geständnisse samt den Urteilen vorgelesen wurden, kein fester Wochentag angesetzt gewesen war. Eine Hinrichtung fand an einem Montag statt (9. November 1562) [85] , zwei weitere an einem Donnerstag (28. Juli 1580). Zweimal, am 3. August 1580 und am 28. September 1580, wurden Verbrennungen und Enthauptungen mittwochs durchgeführt. Dies war nicht unbedingt ungewöhnlich, veranschaulicht aber noch einmal die organisatorischen Aspekte, die das im Rahmen einer kleinen Herrschaft existierende Wittener Halsgericht, für das sowohl Richter als auch Scharfrichter jeweils aus Nachbarorten bestellt werden mußten, zu berücksichtigen hatte. Dies heißt auf der anderen Seite keineswegs, daß Hexen- oder Zaubereiprozesse in noch größerem Umfang in Witten nicht möglich gewesen seien. Weitere Quellenfunde sind für die Zukunft in dieser Hinsicht nicht auszuschließen. 


4. 

1583; August 27 

Conrad Märker, Richter zu Witten, bescheinigt auf Anfrage des Reinhard von Fontaine zu Altenmengede die Exemtion der Herrschaft Witten aus der Grafschaft Mark über den Nachweis der hohen Gerichtsbarkeit sowie der Befreiung der Untertanen von den Landessteuern und der Befreiung der Herren zu Witten von der Landtagspflicht

Ich, Conradt Märcker, itzo von wegen und aus bevelich der Edlen und Ehrnvesten Wennemarn von Brempt zum Berge und Johan Friedrich von Stamheim zum Cringeldantz, herrn zu Witten, Richter daselbst, thue khundt und bekenne in und ubermitz diesem beweiß offentlich vor menniglich bezeugent, waß gestalt ich nach ubersehung und revidierung des gerichtz Witten protocoll befunden, 

daß im abgegangenen zwey und sechszigsten jhar, den neunten monatz tag Novembris, weilandt der Edler und Ehrnvester Reinhardt von Brempt zum Berge, gewesener herr daselbst zu Witten, eine frawes persone Margaretha Kaysers gnant, nach gefengklicher einziehung vor gericht stellen und von wegen ihres aigenen umbgebrachten oder ermordeten kindtz mit urtheill und recht zum todt verdammen und vertrencken laßen, 

darzu befunden, daß die obrigkheitt alda am achtundzwentzigisten July im negstverfloßenen achtzigsten jar erstlich zwey eheleut, nemblich Gerhardt und Anna Schumachers, verprennen und imgleichen am dritten Augusti gemelts jars eine frawes person Catharina Druden gnant, aus vorbitt mit dem schwerdt, neben dem am selbigen tage Vite Schiedtmans und Grietgen Abelen mit dem fewer von leben zum todt, darzu am achtundzwentzigsten monatz septembris im selbigen achtzigisten jahr Maria Franckh und Else Greven verprennen und dieselbige alle ohne jemandtz einrede oder besperrung wegen beziegener, beclagter und bekandter zauberei verrechtferttigen und letzlich an dem selbigen Ursula Schmidtz wegen eines ermordeten kindtz mit dem schwerdt hinrichten laßen. 

Weill mir dan auch kundig und durch augenscheinliche besichtigung bewust, wannhe daß gericht Witten uff des Durchleuchtigen, Hochgebornen Fursten und herrn Wilhelms, Hertzogen zu Cleve, Gulich und Bergh, Graven zu der Marck und Ravenßbergh, herrn zu Ravenstein p., meines G[nedigen] Fursten und herrn, an vorgedachten Reinhardten oder itzigen obgemelten Wennemaren von Brempt zum Berge ausgangen schreiben mit schatzungen belegt und dan volgentz von den hußleutten, so von Brembten nachgewage* angeschlagen, aufgehoben und die belagungh bezalt, daß Irer F[urstlich] G[naden] siegell dermaßen recognoscirt, daß solche stuer nicht von rechtz wegen bewilligt und gelaistet worden. Derowegen auch solches Brempt und den luiden an irer freiheit und gerechtigkeitt nitt hinderlich sein soll. 

Neben dem hab ich von gedachtem Wennemarn von Brempt gehort, obwoll vorgerurten sein Gottseeliger geliebter vatter, Reinhardt von Brempt, etwan zu landtage erschinnen were, daß er doch solches nitt von gerichtzwegen, sonderen anderer seiner in ambt Bochum gehabter liggender gutter halben gethain. 

Wan nuhn der auch Edler und Ehrnvester Reinhardt von der Fonthainen zu Altenmengede mich angelangt und ersucht, ihme daruber schein und beweiß mitzutheillen, alß hab ich gegenwerttigs documentum daruber verfertigt und crafft seiner L[iebden] begerens daselb mit meinem gewonlichen gerichtz insiegell becrefftigt und versiegelt. 

Weliches geschehen am sieben und zwantzigsten monattz tagh Augusti im tausent vunffhundert dreyund achtzigisten jhare. 



[1] Sie geht zurück auf J. D. V. STEINEN: Westphälische Geschichte. XVII. Stück, Buch 3, Lemgo 1757, S. 692 f.: "In den Jahren 1647 und vorhin sind hieselbst viel Menschen wegen Zauberey verbrant worden". 

[2] G. HAREN: Der letzte Hexenprozeß in Witten. Eine wahre Begebenheit, unter Zugrundelegung eines Aktenstückes erzählt. Lengerich o. J. (ca. 1900). 

[3] Zur Rezeption des Themas der Hexenverfolgungen im Rahmen der Heimatgeschichte des Ruhrgebiets siehe G. GERSMANN: "... ein wenig anmutendes Kapitel aus der Menschheitsgeschichte". Die Zauberei- und Hexenprozesse als Gegenstand lokaler Geschichtsforschung, in: JbVOHM (= Jahrbuch des Vereins für Orts- und Heimatkunde in der Grafschaft Mark) 89 (1991), S. 169 - 181 - DIES.: Die Hexe als Heimatheldin. Die Hexenverfolgungen der Frühen Neuzeit im Visier der Heimathistoriker, in: Westfälische Forschungen 45 (1995), S. 102 - 133. 

[4] G. HAREN: Das Gerichtswesen. Fehmgericht. Hexenprozesse, in: JbVOHM 12 (1897/98), S. 139 - 156. 

[5] P. FREUND, der im Jahre 1943 skizzenartig in mehreren Artikeln des "Wittener Tageblatts" HARENS Ergebnisse referierte, sah sich zu der Aussage veranlaßt: "Das zwingt uns zu dem Schluß, daß wir zuverlässige und vor allem vollständige Nachrichten über diese Zeit wohl nicht erfahren werden." Die Artikel FREUNDS über das Hexenwesen befinden sich im Kleinschriftenbestand des VfOHM im Märkischen Museum. 

[6] H. SCHOPPMEYER: Neue Überlegungen zum Hexerei-Prozeß gegen Arndt Bottermann in Witten, in: JbVOHM 89 (1991), S. 183 - 201. 

[7] AVfOHM (= Archiv des Vereins für Orts- und Heimatkunde in der Grafschaft Mark), HBA 163. 

[8] Zur Datierung siehe SCHOPPMEYER 1991 (wie Anm. 6), S. 193. 

[9] AVfOHM, HBA 15 (unfoliiert). 

[10] Der für Hexenprozesse charakteristische Begriff der "Besagung" beinhaltete die Nennung weiterer Personen, die angeblich an den Hexereizusammenkünften teilgenommen hatten, nach dem eigenen Geständnis. 

[11] HAREN 1897/98 (wie Anm. 4), S. 145. 

[12] AVfOHM, HBA 15. Die entsprechende Eintragung für das Jahr 1600 lautet im Kern: "Item alß zwei weiber, alß mutter und dochter, auf Strohschneiders katten gelegen, so nit alleine arm und keine pfechte bezallen konnen: dan auch der zauberei befamet [= berüchtigt] und von den Herbisgen [= Herbeder] zeubersgen bsagt, alß ich publikum mandatum fuge thun laßen, sei auch vorwichen [...]." Die Bemerkung, die beiden Frauen seien "auch vorwichen", bezieht sich offenbar auf eine weitere Eintragung direkt zuvor, derzufolge der Ehemann einer Frau namens Greitte Albers aus der Herrschaft Witten entlaufen war. Das Partizip "vorwichen" deutet ohnehin eher auf das Verb "verweichen" (= entweichen, flüchten) hin, siehe J. u. W. GRIMM: Deutsches Wörterbuch. Bd. 25. Leipzig 1956, Sp. 2168. Die Aussage des Lübbert von Brempt, er habe "publikum mandatum fuge thun laßen" [sinngemäß: er sei seiner Pflicht als Gerichtsherr nachgekommen], ist daher wohl eher lediglich als Absichtserklärung aufzufassen. 

[13] AVfOHM, HBA 15. Der Bogen ist mit "Miscelanea" überschrieben. Hinter "appell[ation]" fehlt der Abkürzungspunkt. 

[14] StA Ms, RKG S 596, fol. 147 f. 

[15] Nach V. STEINEN 1757 (wie Anm. 1), S. 693, war er ebenfalls Rentmeister zu Hattingen und Richter zu Herbede. 

[16] Davon ist wohl aufgrund seines Geständnisses auszugehen, er habe Gemeinschaft mit dem Teufel gepflegt und könne zaubern, wenngleich er bestritt, konkret Schadenszauber ausgeübt zu haben: siehe SCHOPPMEYER 1991 (wie Anm. 6), S. 200. 

[17] Es handelt sich um einen erstinstanzlichen Zitationsprozeß, dessen Akten in einem Band vorliegen. Der erste Termin in Speyer war der 6. Juni 1581: siehe StA Ms, RKG S 596, fol. 1. Gegner des Herrn zu Crengeldanz waren u. a. der Dortmunder Bürgermeister Conradt Hahne und dessen Bruder Johann Hahne, die Adeligen Konradt von Bönen und Gerhard von Bodelschwingh wie auch die Konventsherren des Dominikanerklosters zu Dortmund. Die Mitteilung des Wittener Richters wurde den Akten seitens der Klägerpartei als Beweisstück in Form einer beglaubigten Abschrift beigefügt. Eine zweite Abschrift befindet sich in der Akte eines weiteren Reichskammergerichtsprozesses von Stammheims gegen Bürgermeister und Rat der Stadt Dortmund, der eng mit dem anderen Verfahren zusammenhing: StA Ms, RKG S 598, fol. 36 ff. Dieser Prozeß wurde als Mandatsverfahren geführt. 

[18] Hierbei handelte es sich um die zum adeligen Haus Altenmengede gehörenden Besitzungen Königsberg samt dazugehöriger Mühle sowie der Brüggehoff zu Ellinghausen, Katzenstertz (heute im Mengeder Straßennamen überliefert als "Kattenstert") und Boecklo im Kirchspiel Brechten. 

[19] In der Akte StA Ms, RKG S 596 werden sie als Nachfolger der Lehnsleute aus den Familien zu Altenbochum und von der Goy bezeichnet, wobei unterschiedliche Schreibweisen auftauchen wie "von der Goen" und "von der Goye". 

[20] Dem Lehnsbrief, ebd., fol. 141, fügte Stammheim eine Beurkundung des Heimfalls der Lehnsgüter bei, in der er erwähnte, daß die Nachfolger der von Altenbochum und von der Goy die Güter "ohn meiner vurvatteren oder auch meinen vurwißent und consens anderen alsolche lehenstuck versatzt, verunderpfandt, obligirt oder auch wolgentzlichen vereußert und ab alienirt" hatten. Ebd., fol. 139. 

[21] Ebd. 

[22] Siehe die aus dem Aktenbestand des Hauses Berge (AVfOHM, HBA 153) stammende, anonym im späten 18. Jahrhundert verfaßte "Geschichtliche Darstellung der zur Witten'schen Lehnscurie gehörigen Lehne und über den verschiedenen Ursprung derselben". Die Darstellung wurde seinerzeit von I. H. BORN für den Druck bearbeitet und ist im JbVfOHM 9 (1894/95), S. 57 - 94, erschienen. Eine Aufreihung der Rüdinghauser Mannlehengüter befindet sich ebd. auf S. 59 ff. Der Text ist auf das Jahr 1785 datiert: Repertorium des Urkunden- und Aktenarchivs der Herrschaft Witten a. d. Ruhr, in: JbVOHM 8 (1893/94), S. 25 - 194. Siehe ebenso W. NETTMANN: Wittens ältere Geschichte, in: Witten. Werden und Weg einer Stadt. Witten 1961, S. 35 - 68, S. 55. 

[23] Siehe Text und Abbildung bei H. KRÄTZIG: Ausgewählte Archivalien zur Geschichte von Haus Berge, in: H. SCHOPPMEYER; W. ZEMTER (Hgg.): Über 775 Jahre Witten. Katalog zur Ausstellung des VfOHM zu Witten. Witten 1989, S. 135 - 160, S. 140 ff. 

[24] StA Ms, RKG A 276. Das Urteil auf Entzug des Lehens beim Wittener Lehnsgericht hatte Dietrich von Altenbochum anschließend bewogen, eine Klage wegen Nichtigkeit (Verfahrensmängeln) beim Reichskammergericht einzureichen. Siehe ebd., fol. 98 ff. Der Prozeß zog sich über Jahre hin. Noch 1559 wurde Gerhard Kleinsorgen, Lizentiat des Geistlichen Gerichts zu Arnsberg, vom RKG mit der Untersuchung der Angelegenheit kommissarisch betraut. 

[25] StA Ms, RKG S 596, fol. 139. 

[26] Für das Mittelalter lassen sich Anteile der Linie Witten-Crengeldanz sowohl an der Gerichtsherrschaft als auch dem Kirchenpatronat im Dorf nachweisen: H. SCHOPPMEYER: Kleine Geschichte Wittens, in: SCHOPPMEYER; ZEMTER 1989 (wie Anm. 23), S. 11 - 94, S. 17. 

[27] Zu den Herrschaftsdaten in Witten siehe NETTMANN 1961 (wie Anm. 22), S. 55. 

[28] StA Ms, RKG B 1018. Der Klaglibell, in dem die Übergriffe aufgereiht sind, beginnt ebd. auf fol. 35. 

[29] Ebd., fol. 37. 

[30] Ebd. 

[31] Ebd. 

[32] Ebd., fol. 36. Conrad Märker war zu dieser Zeit noch nicht Richter. Für die Jahre 1575 und 1577 ist Johann Westerholt als solcher belegt. Siehe G. HAREN: Geschichte der Stadt Witten von der Urzeit zur Gegenwart nebst Anhang: Bommern, Steinhausen, Hardenstein. Witten 1924, S. 77. 

[33] "Geschichtliche Darstellung" (wie Anm. 22), S. 68 ff.; G. HAREN 1924 (wie Anm. 31), S. 47 ff.; W. NETTMANN: Heinrich von Brempt und die Begründung der kaiserlichen Lehnshoheit über die Herrschaft Witten im Lichte der Akten des Staatsarchives in Wien, in: JbVOHM 65 (1966), S. 35 - 100, insbes. S. 39. 

[34] Bei dem Beglaubigungsschreiben könnte es sich ebenfalls um eine Fälschung gehandelt haben: Sowohl Abschriften der angeblichen Lehnsurkunde wie auch des Beglaubigungsschreibens befinden sich in der Akte StA Ms, RKG S 596, auf fol. 145 ff. Bereits 1566 wollte Stammheim über seinen Vetter Johann von der Aschenburg die Ausstellung eines kaiserlichen Lehnsbriefs durch Maximilian II. im Feldlager zu Ungarn erwirkt haben. Selbst wenn diese Behauptung zutrifft und eine solche Urkunde tatsächlich dort erteilt worden war, war dies jedenfalls angesichts der fehlenden Zugriffsmöglichkeit auf die kaiserlichen Lehnsbücher nur vorbehaltlich einer genaueren Prüfung der Angelegenheit nach dem Feldzug geschehen. Siehe "Geschichtliche Darstellung" (wie Anm. 22), S. 68. 

[35] StA Ms, RKG S 596, fol. 150. 

[36] Näheres dazu bei G. HAREN: Haus Krengeldanz. Aktenmäßig dargestellt, in: JbVOHM 27 (1912/13), S. 131 - 168, insbes. S. 150 ff. 

[37] StA Ms, RKG S 596, fol. 151. Die Besitzungen "Katzenstertz" und "Bockloi" wurden direkt aufgeführt. 

[38] Ebd., fol. 152. 

[39] Ebd., fol. 150 f. 

[40] Ebd., fol. 151. 

[41] StA Ms, RKG A 276, fol. 27. 

[42] Es ging um ausstehende Schulden der Margareta Hagedorn, Witwe des Heinrich von Brempt zu Hardenstein, die ein gewisser Arndt Hölsche und andere einforderten. Die Zitation erging durch Conrad Märker auf den 24. April 1587. StA Ms, RKG B 1023, Bd. 2, fol. 3 ff. Auch als 1585 Wennemar von Brempt bei einer Auseinandersetzung mit Hardenberg Stael von Holstein auf dem Hofgelände getötet wurde, hatte dort zuvor eine Zusammenkunft mit einer ansehnlichen Zahl von Gästen stattgefunden: StA Ms, RKG S 578, Bd. 1, fol. 16 ff. 

[43] Wennemar von Brempt hatte die Bedingung gestellt, daß von Stammheim den angeblichen kaiserlichen Lehnsbrief von 1502 im Original präsentieren sollte. Nachdem dies nicht geschehen war und statt dessen im November 1584 eine erneute beglaubigte Kopie aufgetaucht war, widerrief Brempt den Teilungsvertrag: "Geschichtliche Darstellung" (wie Anm. 22), S. 69 f. 

[44] StA Ms, RKG S 597. Der Hof war ebenfalls verpfändet und verkauft worden. Den Prozeß, der von seiten der Grundherrschaft zu Crengeldanz zuvor in dieser Sache vor dem Gericht Bochum geführt und verloren worden war, erklärte er nun für null und nichtig. Über den Teilungsvertrag war die Glaubwürdigkeit seines gefälschten Lehnsbriefes gestärkt worden. Letzterer ließ sich nun erneut ins Spiel bringen, indem er den Hof wie auch Haus Crengeldanz als zur Herrschaft Witten gehöriges Reichslehen auswies. Die jurisdiktionelle Zuständigkeit Bochums in dieser Sache wurde auf dieser Basis bestritten. Beklagte waren Jakob von Brunkhorst, Fhr. zu Battenberg, Melchior von Bönen, Johann Potthof und seine Mutter. 

[45] Was in einigen Fällen auch geschah, in anderen Fällen wegen Nichtanwesenheit der entsprechenden Personen verschoben wurde: StA Ms, RKG S 596, fol. 143 ff. 

[46] StA Ms, RKG B 1018, fol. 39. 

[47] Ebd. 

[48] Die von Stammheim hätten nie "actus jurisdictionales tam in civilibus quam in criminalibus" ausgeübt. Statt dessen seien die von Brempt als Gerichtsherren unbehindert geblieben, "wie dan bei zeitten seines [= Märkers] richters bedienungh ein dieb gehangen, neuwe galgen auffgerichtett, ehebrecher gestrafft, delinquentes in hafftungh, so bei denen von Brempt ist, eingezogen und sonsten civill und criminall straffen verubett" sein sollen. AVfOHM, HBA 15 (unfol.). Die ungefähre Datierung der Quelle ergibt sich aus der Erwähnung des Lübbert von Brempt als Gerichtsherrn und den im gleichen Schriftstück gemachten Aussagen des Pastoren Diederich ab Auwe, er habe "uber 27 jair den k[irchen] dinst vertretten". Auwe war seit 1597 Pastor zu Witten gewesen. Siehe W. NETTMANN 1961, S. 64. 

[49] Zu den Phasen der Hexenverfolgung siehe W. BEHRINGER (Hg.): Hexen und Hexenprozesse in Deutschland. München 1988. Allgemein einführend in den Forschungsstand zu den Hexenprozessen: DERS.: Erträge und Perspektiven der Hexenforschung, in: Historische Zeitschrift 249 (1989), S. 619 - 640. Ebenso: G. SCHWERHOFF: Vom Alltagsverdacht zur Massenverfolgung. Neuere deutsche Forschungen zu frühneuzeitlichen Hexenwesen, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 46 (1995), S. 359 - 380. Ein neuerer Überblick wurde erstellt von F. IRSIGLER: Hexenverfolgungen vom 15. - 17. Jh.. Eine Einführung, in: G. FRANZ / F. IRSIGLER (Hg.): Methoden und Konzepte der historischen Hexenforschung. Red.: Herbert Eiden und Rita Voltmer, Trier 1998, S. 2 - 21. 

[50] BEHRINGER 1988 (wie Anm. 49), S. 180. 

[51] Ebd., S. 158 ff. 

[52] P. E. DEVENS: Über Hexenprozesse, in: Vestische Zeitschrift 23 (1913), S. 58; W. MUMMENHOFF: Zur Geschichte der Hexenverfolgungen in der Stadt Recklinghausen und ihrer Umgebung während des 16. Jahrhunderts, in: Vestische Zeitschrift 34 (1927), S. 75 - 90, S. 76; G. GERSMANN: Auf den Spuren der Opfer - zur Rekonstruktion weiblichen Alltags unter dem Eindruck frühneuzeitlicher Hexenverfolgung, in: B. LUNDT (Hg.): Vergessene Frauen an der Ruhr. Von Herrscherinnen und Hörigen, Hausfrauen und Hexen 800 - 1800, S. 243 - 272, insbes. S. 251 f. 

[53] O. SEEMANN: Über einige Hexenprozesse im Stift Essen, in: BeitrrEssen 10 (1886), S. 113 - 131, insbes. S. 118 f. 

[54] Eintragung im Protokoll der landesherrlichen Regierung des Fürstbistums Münster vom 24. Juni 1581, StA Ms, Fbstm. Münster, Reg. Prot., Nr. 3, Bd. 1 (1581), fol. 106. 

[55] K. RÜBEL: Hexenaberglaube, Hexenprozesse und Zauberwahn in Dortmund, in: BeitrrDo 22 (1913), S. 96 - 117. Quellenauszüge zu diesen Prozessen finden sich auch bei K. MÜLLER; S. OHLY: Lebendig verbrannt vor den Toren der Stadt. Dortmunder "Hexen" und ihre Mörder. Dortmund 1989, insbes. S. 86. Wegen einer hemmungslosen Vermischung von Fakten und Phantasie in diesem Buch ist als begleitende Lektüre zu empfehlen: D. UNVERHAU: "Ich bin eine Hexe" - Frauenbewegung und historische Hexenverfolgung, in: Kieler Bll. zur Volkskunde 18 (1986), S.61 - 89. 

[56] J. WEIER: De praestigiis daemonum. Von Teuffelsgespenst, Zauberern und Gifftbereytern / Schwartzkünstlern / Hexen und Unholden [...]. Frankfurt/M. 1586, Vorrede (Widmung an Herzog Wilhelm, unpaginiert). 

[57] StA Ms, RKG S 596, fol. 147. 

[58] R. WALZ: Der Hexenwahn im Alltag. Der Umgang mit verdächtigen Frauen, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 3 (1992), S. 157 - 168, insbes. S. 161. Ebenso DERS.: Hexenglaube und magische Kommunikation im Dorf der Frühen Neuzeit. Die Verfolgungen in der Grafschaft Lippe. Paderborn 1993. Zur rechtlichen Möglichkeit, gegen Bezichtigungen über Beleidigungsklagen vorzugehen, siehe R.-P. FUCHS: Der Vorwurf der Zauberei in der Rechtspraxis des Injurienverfahrens. Einige Reichskammergerichtsprozesse westfälischer Herkunft im Vergleich, in: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte 17 (1995), S. 1 - 29, wie auch DERS.: Hexereisachen vor dem Reichskammergericht. Einige Prozesse westfälischer Herkunft, in: M. SAATKAMP/D. SCHLÜTER (Hg.): Von Heksen und Duwelsluden. Über Hexen, Zauberei und Aberglauben im niederländisch-deutschen Grenzraum - Over heksen, toverij en bijgeloof in de Nederlands-Duitse grensstreek. Enschede, Doetinchem, Vreden 1995, S. 87 - 110. 

[59] Zur Einführung der Reformation und den Tumulten in der Kirche zu Witten im Jahr 1576 siehe HAREN 1924 (wie Anm. 32), S. 157 ff. sowie SCHOPPMEYER 1989 (wie Anm. 23), S. 19. 

[60] "Dohe war alhie und in der Nachburschafft ein großer Kummer an Brodt, daß auch widerwertiger Weise die Süderlender mitt gebacken Brodt diese Stedte gespieset". Auch der Preis für Hafer stieg im Vergleich zu 1579 nahezu auf das Doppelte: D. MÜLHER; C. MEWE: Historische Beschreibung der Stadt und Grafschaft Dortmund (1616), in: J. S. SEIBERTZ (Hg.): Quellen der westfälischen Geschichte 1/2, S. 281 - 380, S. 358 f. Auch von Steinen erwähnt eine großen Teuerung in der Grafschaft Mark im Jahre 1580, siehe V. STEINEN (wie Anm. 1), 4. Tl., XXIV Stck., S. 217. 

[61] MÜLHER; MEWE 1616 (wie Anm. 60): S. 380. 

[62] Einen Hinweis auf die Verlegung des Gerichts zu Bochum nach Rechen wegen der Pest gibt eine Urkunde vom 9. November 1579: AVfOHM, HBU 284. 

[63] V. STEINEN (wie Anm. 1), 4. Tl., XXVII. Stck., S. 566. 

[64] Ebd., XXIV. Stck., S. 203. 

[65] G. SCHORMANN: Der Krieg gegen die Hexen. Das Ausrottungsprogramm des Kurfürsten von Köln. Göttingen. 1991, S. 173. 

[66] E. LABOUVIE: Zauberei und Hexenwerk. Ländlicher Hexenglaube in der Frühen Neuzeit. Frankfurt/M. 1991, S. 33 f.; W. BEHRINGER 1988 (wie Anm. 49), S. 272. 

[67] StA Ms, RKG S 596, fol. 150. 

[68] Der spätere Kotten von Catharina Drude gelangte 1518 durch Kauf mit mehreren Gütern, die als "Quadeschenn halff" bezeichnet wurden, vollständig an Heinrich von Brempt. Aloff Quade zu Unterbach hatte seine Anteile an diesen Gütern zuvor durch seine Ehefrau "Steyn" (Stine) von Witten zu Crengeldanz erhalten: Siehe AVfOHM HBU 186. Zum weiteren Schicksal dieser Güter im 16. Jh. siehe HAREN 1912/13, S. 139 ff. 

[69] AVfOHM, HBA 16, fol. 76: Im Hinblick auf die Einkünfte des Jahres 1567 heißt es: "Item die katte, geheyten die Vallentoirne, die nu Thrien Drue van Witten in gewin und gebruck hefft, gifft jarling III schillingh, VI honder". 

[70] Siehe H. SCHOPPMEYER: Zur Siedlungsgeschichte des Raumes Witten im Mittelalter, in: JbVfOHM 86 (1988), Karte 9. 

[71] AVfOHM, HBA 16, fol. 6. 

[72] 1563: ebd., fol. 105; 1564: ebd., fol. 43. 

[73] HAREN 1924 (wie Anm. 32), S. 114 ff. 

[74] Zur Lage dieser Kotten siehe wiederum SCHOPPMEYER 1988 (wie Anm. 70), Karte 9. 

[75] AVfOHM, HBA 16, fol. 33. 

[76] Ebd., fol. 109: "Item Petter Schomecker heyvet yn dem hervisse entfangen II ossenvelle und vyff koevelle. Item van dun wynter noch III koe velle und III kalleff velle gekregen." Auch der Schuhmacher zu Herbede wurde 1550 seitens von Brempt mit Tierfellen beliefert, ebd., fol. 29. 

[77] Ebd., fol. 139. 

[78] Ich habe bei späteren Archivstudien festgestellt, daß es sich bei "Vite" um einen weiblichen Vornamen handelt. Daher die Korrektur meines ursprünglichen Textes. 

[79] AVfOHM, HBA 16, fol. 105: "Albell" (1563); fol. 43: "Abell" (1564). 

[80] Ebd., fol. 77: "Item die katte up dem darne, den nu die alde abell in gebruick hefft"; ebd., fol. 82: "der alde abell" (1571); fol. 127: "die alte Abeill" (1573). 

[81] A. KAUFMANN (Hg.): Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532 (Carolina). 6. Aufl., hrsg. u. erl. v. G. RADBRUCH. Stuttgart 1975. 

[82] R. V. DÜLMEN: Frauen vor Gericht. Kindsmord in der frühen Neuzeit. Frankfurt/M. 1991; O. ULBRICHT: Kindsmord und Aufklärung in Deutschland. München 1990; DERS.: Kindsmörderinnen vor Gericht. Verteidigungsstrategien von Frauen in Norddeutschland, in: Mit den Waffen der Justiz. Zur Kriminalitätsgeschichte des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, hrsg. v. A. BLAUERT UND G. SCHWERHOFF. Frankfurt/M. 1993, S. 54 - 85. - R. SCHULTE: Das Dorf im Verhör. Brandstifter, Kindsmörderinnen und Wilderer vor den Schranken des bürgerlichen Gerichts. Oberbayern 1848 - 1910. Reinbek 1989. 

[83] Carolina (wie Anm. 81), Art. 131. 

[84] V. DÜLMEN 1991 (wie Anm. 82), S. 46 ff. 

[85] Die Wochentage wurden ermittelt über H. GROTEFEND: Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit. 11. verb. Aufl., hrsg. v. T. ULRICH. Hannover 1971. 

* Wohl "nach gewach" [= nach Erwähnung, Bericht]; siehe unter "gewach" und "gewagen": A. LÜBBEN: Mittelniederdeutsches Handwörterbuch. Nach dem Tode des Verf. vollend. v. C. WALTHER. Leipzig 1888. 


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